Wut oder Mama, hör mir bitte zu!

Heute wage ich mich an ein Thema, das für mich so umfassend und wichtig ist, dass ich es gerne in zwei Beiträgen behandeln möchte. Es geht um eine Emotion, die wir alle gut kennen und die es echt in sich hat: Wut. Ich möchte dazu sagen, dass ich – wie sonst auch – nur von meinen persönlichen Erfahrungen mit meinen Kindern erzähle. Wenn das für dich hilfreich ist, freut mich das. Wenn du mit der Situation anders umgehst, ist das auch völlig in Ordnung. Ich glaube jede Mama spürt instinktiv, was für sie und ihr Kind am besten ist.

Im ersten Teil heute geht es darum, was ich im Umgang mit meinem wütenden Kind erkennen durfte. Im zweiten Teil erzähle ich dir, wie ich damit umgehe, wenn ich wütend auf meine Kinder bin. Denn beides ist ganz normal, beides hat seine Berechtigung und beides darf sein.

© Melanie Hänel

Und das ist auch schon der wichtigste Punkt, den ich in Bezug auf Wut lernen durfte: Es hilft meinem Kind nicht, seine Emotion zu ignorieren oder ihm zu sagen, es soll aufhören wütend zu sein. Im Gegenteil. Als mein Großer in die „Trotzphase“ kam und die ersten richtig heftigen Wutausbrüche hatte, habe ich noch genauso reagiert. Ich wollte ihm keine Aufmerksamkeit für dieses Verhalten geben, weil ich dachte, das würde ihn nur weiter bestärken. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als ihn z.B. aus der jeweiligen Situation zu nehmen und ihm zu sagen, er solle sich beruhigen und aufhören. Ich wollte damit die Kontrolle zurückhaben, war aber nicht wirklich daran interessiert zu erfahren, was mein Kind so wütend gemacht hat.

Dieses Unverständnis von meiner Seite hat die ganze Situation meistens nur noch schlimmer gemacht, denn kein Kind ist grundlos wütend. Nur weil ich es im Moment (noch) nicht verstehe oder nachvollziehen kann, heißt das nicht, dass es aus Sicht des Kindes keinen wirklich guten Grund gibt gerade genauso zu empfinden. Lasse ich es nun mit seiner Wut alleine, fühlt es sich unverstanden und im schlimmsten Fall nicht geliebt, was sein schlechtes Gefühl und damit seine Wut nur noch verstärkt. (Kleine) Kinder sind weder in der Lage, ihre Gefühle einzuordnen noch sie so zu äußern, dass sie niemandem schaden. Sie müssen erst lernen, ihre Gefühle zu benennen. Das wiederum können sie nur, wenn wir als Bezugspersonen mit ihnen über ihre Gefühle sprechen. Kann ein Kind diese nämlich verbal äußern und fühlt sich von seinem Gegenüber verstanden, muss es gar nicht nur über die nonverbale Ebene gehen, sprich den anderen hauen, treten, kratzen usw.

© Melanie Hänel

So weit, so gut. Ich rede also viel mit meinen Kindern über ihre Gefühle. Im Eifer des Gefechts sucht mein Großer aber manchmal  immer noch erst nach einem Ventil, um diese enorme Wut- Energie rauszulassen und spricht erst dann darüber. Wir arbeiten im Moment daran, dass er seine Wut an Dingen auslässt, sodass es weder ihm noch jemand anderem schadet. In der Regel klappt es ganz gut. Kürzlich traf es doch noch einmal seine kleine Schwester. Da schaute er mich mit großen Augen an und sagte: „Mama, ich habe so schnell jetzt wirklich kein Kissen finden können.“ Okay, wir sind alle nur Menschen. Die Kleine hat ihm auch sofort verziehen. Wir alle dürfen üben. Jeder neue Tag hält neue Chancen für jeden von uns bereit. Was für ein unglaubliches Geschenk, das wie nur erkennen und annehmen müssen!

Inzwischen kann mein großer Schatz seine Emotionen sehr gut benennen und auch immer besser erklären, warum er so empfindet. Das macht es mir wiederum viel leichter, Verständnis für ihn und seine Gefühle aufzubringen. Gemeinsam suchen wir dann nach Lösungen. Und siehe da, seine Wut verraucht genauso schnell wie sie gekommen ist, weil er sich verstanden und ernst genommen fühlt. Oft zeigt sich dann, dass hinter seiner Wut eigentlich eine tiefe Traurigkeit steckt, weil er z.B. von einem anderen Kind zurückgewiesen wurde. Was er also in dem Moment von mir braucht, ist ein offenes Ohr und tröstende Arme. Bin ich bereit, mich ganz auf ihn und seine Emotionen einzulassen, entsteht ein echter Dialog und er hat mich dabei schon oft überrascht. Ich hätte früher nie gedacht, dass man mit einem 5- jährigen Kind solche offenen und schönen Gespräche führen kann. Ich bin unheimlich stolz auf meinen tollen Sohn und sehr dankbar, dass er mit mir diesen Weg gegangen ist und wir gemeinsam voneinander lernen konnten.

Dieser Weg ist ein Lernprozess für alle Beteiligten, der vor allem Zeit, Geduld und Liebe braucht. Es gab und gibt da bei uns auch einige Aufs und Abs. Gerade dann ist Durchhaltevermögen gefragt und besonders die Großen müssen viel Empathie für die Kleinen aufbringen. Aber eins kann ich dir versprechen: Es lohnt sich!

Erkenntnis des Tages: Wut braucht einen verständnisvollen Zuhörer.

Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag und sollte ein Wut-Sturm aufziehen, lass dich nicht mit ihm fortreißen, sondern forsche nach der Ursache!

Deine Franka