Vorbild oder wenn mein Kind mir den Spiegel vorhält

Heute widme ich mich einem Thema, das zum einen sehr fordernd sein kann, aber gleichzeitig enorm viel Potential zur persönlichen Entwicklung bereithält: die Vorbildfunktion. „Sei deinem Kind stets ein gutes Vorbild!“, heißt es immer und überall, denn Kinder lernen durch Nachahmen. Okay, das klingt in der Theorie sehr sinnvoll. Und es stimmt auch. Ich habe den ultimativen Praxistest gemacht. Du kannst sabbeln und erklären, so viel du möchtest, wenn du dich nicht auch genauso verhältst, wird dein Kind es auch nicht tun. Weder im „Guten“ noch im „Schlechten“. So und genau hier fängt die ganze Sache an anstrengend zu werden. Es braucht sehr viel Selbstdisziplin, Selbstreflexion und die Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten, um einem Kind stets ein gutes Vorbild zu sein.

Richtig bewusst gemerkt, wie sehr meine Kinder mich nachahmen, habe ich erst als sie älter wurden. Der Große fing nämlich dann an, zur Kleinen dieselben Sätze zu sagen, die er sonst von mir zu hören bekam. Und auch ich wurde nicht verschont. Er sprach mit mir und behandelte mich immer öfter so, wie ich ihn. Besonders, wenn er wütend war oder versuchte, seinen Willen gegen mich durchzusetzen. Und soll ich dir etwas verraten? Das war gar nicht immer so nett. Es fühlte sich für mich auch nicht gut an. Da gingen bei mir die Alarmglocken an und mir wurde bewusst, dass es ihm sicher oft mit mir genauso ging. Eins stand für mich fest: Ich wollte von ihm nicht so behandelt werden. Also musste ich etwas an der Ursache ändern- an meinem eigenen Verhalten.

© Melanie Hänel

Das bedeutete wieder einmal achtsam mit mir selber umzugehen und sehr bewusst zu wählen, wie ich mich meinen Kindern gegenüber verhalten wollte. Folgende Fragen habe ich mir dabei gestellt:

  • Welche Werte möchte ich an sie weitergeben?
  • Wie sollen sie andere Menschen behandeln?
  • Wie sich selbst?
  • Was möchte ich ihnen mit auf ihren Lebensweg geben und was nicht?

Kurz: Was für ein Mensch möchte ich sein?

Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, sich bewusst mit diesen Fragen zu beschäftigen und für sich selbst Antworten darauf zu finden. Dann hat man einen Leitfaden aus seinen ganz eigenen Werten, an dem man sein Verhalten ausrichten kann. Dieser rote Faden hilft auch dabei, das eigene Verhalten immer wieder zu überprüfen und anzupassen. Wichtig ist außerdem, flexibel zu bleiben und auch den Faden immer mal wieder genau unter die Lupe zu nehmen. Denn wir alle entwickeln uns weiter und lernen dazu. Nicht nur die Kleinen. Und was sich heute noch stimmig anfühlt, bedarf morgen vielleicht einer Veränderung.

Außerdem habe ich meinen großen Schatz und auch die kleine Maus mit ins Boot geholt. Ich habe beiden erklärt, was ich zukünftig nicht mehr machen möchte und mir von ihnen auch nicht mehr wünsche. Dann habe ich sie um Hilfe gebeten. Wir haben besprochen, dass sie mich immer wieder darauf aufmerksam machen dürfen, wenn ich mich nicht an unsere Abmachung halte- und umgekehrt natürlich genauso. Das hat uns wieder mehr zusammengeschweißt. Wir agieren seitdem als Team, d.h. mit- statt gegeneinander und geben uns gegenseitig die Chance, zu wachsen. Und das wiederum fühlt sich für alle richtig gut an.

© Melanie Hänel

Ich bin meinen Mäusen jeden Tag dankbar, dass sie mir den Spiegel vorhalten, auch wenn es manchmal nervt, tagtäglich so viel mit sich selbst konfrontiert zu werden. Aber sie geben mir dadurch natürlich die Chance, weiter an mir zu arbeiten und genau der Mensch zu sein, der ich sein möchte.

Und ich bin unendlich froh und dankbar, dass mir ihr Spiegel auch so viel Schönes zeigt. So viel Achtsamkeit, Empathie, Rücksichtnahme, Freundlichkeit und vor allem ganz viel Liebe. Denn auch dieser Weg ist keine Einbahnstraße. Alles, was du bereit bist, deinen Kindern zu geben und vorzuleben, bekommst du doppelt und dreifach zurück. Verlass dich drauf.

Erkenntnis des Tages: Ich lasse mich von meinen Werten leiten.

Ich wünsche dir heute einen ruhigen Moment, um mal tief in dich zu gehen und deinen ganz eigenen Leitfaden zu finden! Hab viel Freude dabei!

Deine Franka